DGEKW-Kongress 2023

CfP: Analysen des Alltags: Komplexität, Konjunktur, Krise 4.-7. Oktober 2023 in Dortmund; 44. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Empirische Kulturwissenschaft #DGEKW; Einsendeschluss: 15. Januar 2022

Zusammenfassung

  • Was Call For PapersDGEKW-Kongress 2023
  • Wann to (Europe/Berlin / UTC100)
  • Wo Dortmund Deutschland
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Beschreibung

DGEKW-Kongress 2023

Analysen des Alltags: Komplexität, Konjunktur, Krise

44. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Empirische Kulturwissenschaft e.V.

Dortmund  |  4.–7. Oktober 2023

Call for Papers

Als Alltag wird gemeinhin der selbstverständliche, unhinterfragte Teil des Lebens verstanden. Das Alltägliche verspricht durch seine spezifischen kulturellen Ordnungen Sicherheit, Kontinuität und Übersichtlichkeit. In der Bewusstmachung von Alltag werden Effekte der Ritualisierung, Selbstverständlichkeit und Routine auf der einen Seite, wie auch Prozesse der Dynamisierung, Abwechslung und Flüchtigkeit auf der anderen Seite greifbar. Der Alltag der Anderen erfährt durch Ästhetisierung und Inszenierung über soziale und andere digitale Medien gegenwärtig hohe Aufmerksamkeit. Angesichts von multiplen Krisen in Geschichte und Gegenwart werden alltägliches Handeln und Erfahren zunehmend in Frage gestellt: Ernährungs- und Kleidungsgewohnheiten geraten ebenso in Kritik wie Konsumweisen und Mobilitätspraktiken. Bedrohungen des Gewohnten werden zunehmend politisiert. Alltag ist vor diesem Hintergrund nicht nur als Krisenschauplatz zu begreifen, sondern zunehmend auch als eigentliche Ursache für Krisen. Alltag ist komplexes kulturelles Produkt und keine bloße Gegebenheit.

Alltag wird und wurde durch Technik sowie Technologien mitgestaltet und durch Infrastrukturen geformt. Vor allem letztere sind kein unsichtbares Gerüst alltäglichen Handelns. Vielmehr stellen Digitalisierung und ökologische Transformationen infrage, welchen Alltag bestehende und neue Infrastrukturen ermöglichen (sollen). Hinzu kommt, dass jüngere Arbeiten der Anthropozän-Anthropologie (Welz 2019) menschlichen und mehr-als-menschlichen Alltag in seinen vielfältigen Verschränkungen sicht- und greifbar machen und damit Fragen von Repräsentation und Verantwortung neu stellen. Gerade im zunehmend direkten Erleben der planetaren ökologischen Krise wird deutlich, wie sehr Alltag als Stabilität sozialer Erwartungen ein westlich modern geprägtes Konzept ist. Seine Dekolonisierung eröffnet neue Perspektiven, die sowohl die historische und soziale Kontingenz von spezifischen Alltagsaspekten beleuchten, als auch die globalen Verflechtungen ihrer Möglichkeitsbedingungen.

In ihrem Selbstverständnis hat die Empirische Kulturwissenschaft eine besondere disziplinäre Zuständigkeit für den Alltag markiert (Ehn/Löfgren/Wilk 2016, Schmidt 2018). In der systematischen Betrachtung des Alltags gelangt man von der Strukturgeschichte zum individuellen Erfahrungsraum und damit zur subjektiven Dimension der historischen und sozialen Welt. Weil er kaum territorial begriffen wird und sich für Romantisierungen wenig eignet, erscheint Alltag als analytisches Konzept neutral und frei von historischen Hypotheken. Mit seinen „verfließenden Rändern“ (Bausinger 1991) bleibt der Begriff elastisch und anpassungsfähig, aber auch vage. In dieser Neutralität und Unbestimmtheit des Alltagskonzepts liegt seine Wissenschaftskarriere mitbegründet. Auch deswegen haben die Begriffe Alltag und Alltagskultur bspw. in Museen ältere Bezeichnungen weitgehend ersetzt. Die Diagnose, dass „Alltag“ ein umfassend genutzter, aber untertheoretisierter Begriff ist, gehört damit zur Theoriegeschichte des Begriffs selbst (Lipp 1993, Tschofen 2006). Über die Begriffe „Ethnos“ und „Kultur“ wurde intensiv diskutiert – jüngst etwa wieder in den Debatten über die Umbenennung der Fachgesellschaft. Der Alltagsbegriff – als ein weiterer tradierter Markenkern des Fachzusammenhangs – hat dagegen schon lange keine gleichermaßen kritische Revision mehr erfahren.

Der 44. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Empirische Kulturwissenschaft (DGEKW) nimmt mit dem Alltag ein Thema in den Blick, für das die ausrichtende Institution, das Seminar für Kulturanthropologie des Textilen an der TU Dortmund, seine besondere Expertise bereitstellt. Vor diesem Hintergrund adressiert der Kongress auch Fragen nach der Bedeutung materieller Kultur in alltäglichen Lebenswelten, nach Moden und Konjunkturen, nach den spezifischen Herausforderungen sowie Potenzialen in der Vermittlung kulturwissenschaftlichen Wissens über den Alltag.

Der Kongress will eine tiefere Auseinandersetzung mit Alltag als analytischer Kategorie in der Formierung und Erforschung gegenwärtiger sowie historischer Gesellschaften anregen. Es sind sowohl theoretische als auch empirische und praxisorientierte Beiträge erwünscht, die gegenwartsbezogen, historisch oder vergleichend ausgerichtet sein können und die u. a. die folgenden vier Themenkomplexe in den Blick nehmen können:

  1. Ethnografie und Kulturanalyse des Alltags: Wie gestalten Menschen ihren Alltag, wie problematisieren sie ihn und wie fordern sie Handlungsmacht in der Transformation alltäglicher Strukturen ein? Welche Rolle spielen Medien, technische Infrastrukturen, nicht-menschliche Akteure? Wie formieren sich Prozesse der Veralltäglichung auch im historischen Vergleich?
  2. Theorien/Konzepte/Modelle: Mit welchen Konzeptionen von Alltag operiert die Kulturanalyse? In welcher Beziehung steht der Alltagsbegriff zu benachbarten Konzepten?
  3. Fachhistorische und wissenschaftspolitische Fragen: Wie prägte die Auseinandersetzung mit dem Alltag die kognitive Identität des Fachzusammenhangs Empirische Kulturwissenschaft/Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie/Volkskunde? Welche wissenschaftspolitischen Implikationen ergeben sich aus einer Kulturanalyse des Alltags?
  4. Öffentlichkeiten und Interventionen: Wie wird komplexes Wissen über den Alltag im Museum, in der Kulturarbeit oder in der kulturellen Bildung erforscht und vermittelt? Welche Öffentlichkeiten können in welcher Weise adressiert werden? Wie inspiriert die Vermittlung wiederum die theoretisch-konzeptionelle Auseinandersetzung mit dem Alltagsbegriff?

Formular für Einreichungen (form for submissions): https://dgekw.de/call-for-papers/

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