Call For Papers

"Sport-Star-Kulturen. Zur politischen und medialen Ökonomie des Sportstars"; Tagung an der Universität Basel @UniBasel am 14./15.09.2023; Deadline: 28. Januar 2023

Zusammenfassung

Beschreibung

Call for Paper: Sport-Star-Kulturen. Zur politischen und medialen Ökonomie des Sportstars, Basel (CH) 14./15.09.2023, Deadline: 28.01.2023

Wohl nur der Sportstar stellt gegenwärtig eine globale Figur dar, die regionale und nationale, religiöse und sprachliche Spezifika transzendiert und überall enorme Aufmerksamkeit und affektstarke Anerkennung oder Ablehnung hervorruft. Gerade in vermeintlich postheroischen Gesellschaften sind Sportstars in ein „zentrales Heldensystem" eingebunden, das insofern „Heldenerzeugungskompetenz" (Bette 2019) besitzt, als es Figuren der Außeralltäglichkeit, der „Exorbitanz" (von See 1993) produziert. Globale Sportstars bieten vielfältige Lesarten an und tauchen im Modus einer „multi-textual and multi- platform promotional entity" (Andrews, Jackson 2001) in unzähligen populärkulturellen Verwertungszusammenhängen auf. Wenn Publikumssportarten als „Ausdruck und Aufführung gesellschaftlicher Verhältnisse" (Bonz 2013) und Fantum als „Aneignungsvorgang beschrieben wird, mit dem Akteure Wünsche, Konflikte etc. gestalten, deren Ursachen in den soziokulturellen Verhältnissen unserer Zeit liegen" (ebd.), stellt sich die Frage, wie Sportstars diese Verhältnisse mitproduzieren, emblematisieren und verkörpern und wie diese Startexte seitens der Fans genutzt werden. Entsprechend produktiv erscheinen die Spannungen zwischen dem „manufacturing" der Stars im Kontext der globalen Sportindustrie und den Dekodierungspraktiken der zirkulierenden Star- Images.

Daraus ergeben sich u. a. folgende Überlegungen, die exemplarische Fragen aufwerfen:

Historiographische Perspektiven

Stars artikulieren Subjektivierungsweisen, Affekte, Stile, Körper, Gender, Semantiken, Habitus, Ideologien etc. einer bestimmten Zeit, gelten als Marker für ein bestimmtes Jahrzehnt oder bestimmte zeitgeistige Phänomene, werden aber auch als „kulturverändernd" (Naglo 2022) beschrieben. „Der Star ist nicht nur das Produkt individuellen, sondern auch kollektiven Begehrens [...]. Stars sind zeitspezifische Indikatoren für gesellschaftliche Umstände", konstatierte Werner Faulstich (2000).

Wie lässt sich anhand des Sportstars Zeit- und Subjektgeschichte schreiben? Wie lässt sich der Nexus von Generationalität und Sportstars fassen? Welche Zugänge zu diesem Feld bieten Fan- und Rezeptionsstudien?

Memorialkulturelle Perspektiven

Es sind vielfältige Formen der Heritagisierung des alternden Sportstars zu beobachten: von „Was macht eigentlich xy?"-Boulevardberichterstattung über konsekrierende Helden- erzählungen in Sportmuseen bis hin zu Sport(star)dokumentationen und biografischen Romanen.

Entsprechend sind die Erinnerungsformen in den Blick zu nehmen, die sich um den alternden Sportstar bilden. Dies geht einher mit der Frage, wie personale Erinnerungen und kollektive Erinnerungen, bei denen Sportstars eine Art Scharnierfunktion zukommt. Darüber hinaus lässt sich überlegen, wie aus Sportstars „Langzeithelden" werden, die sich im kollektiven Gedächtnis implementieren, wenn gleichzeitig auch Abstiegserzählungen gefallener Stars ein wichtiges Moment dieser Erinnerungskultur – wie zuletzt u.a. in Form von Being Jan Ullrich (2022) oder Diego Maradona (2019) – darstellen; Letzteres verknüpft sich wiederum eng mit gesellschaftlich normativen Vorstellungen und Erwartungen an eine richtige/gesunde Lebensführung.

Politische Perspektiven

Der Zusammenhang von Sport und Politik in Form von Star-Aktivismus hat sich insbesondere im Feld gegenwärtiger Protestbewegungen (Black Lives Matter, Proteste im Iran, WM in Katar

u.a.) als ebenso produktiv wie kontrovers erwiesen. Vor dem Hintergrund der Dynamisierung des Feldes anti-elitärer Politiken und populistischer Affekte ist auch der Zusammenhang von Authentizitätsressourcen und Volksheldentum im Sport (Spitaler 2004) in Abgrenzung zur politischen (Eliten-)Sphäre immer wieder relevant. Das betrifft auch populäre Erzählungen, in denen Trainer:innen und Coaches zu Hauptfiguren werden, wie im pandemischen Serienerfolg Ted Lasso (2020–2022), in denen Trainer als „little men" gegen die allürenhaften Diven auf dem Platz konturiert werden.

Im Sport werden Regeln kollektiver Zugehörigkeiten und nationaler Identitäten ganz grundsätzlich verhandelt wie auch offen rassistische Diskurse geführt – etwa, wenn die Legitimität (post-)migrantischer Sportstars in Nationalmannschaften infrage gestellt wird. Was sind zeitgenössische und historische Modelle von Sportstars und politischer Sphäre? Wie lassen sich rassifizierte und rassifizierende Sportstar-Diskurse kritisch analysieren, wie sind diese in allgemeine Diskurse eingebunden?

Kulturgeographische Perspektiven

Auch in Zeiten globaler Medienöffentlichkeiten werden Fragen lokaler und regionaler Identität u.a. über Sportstars ausgehandelt. Place-Branding und die Akkumulation symbolischen Kapitals erfolgen auch mithilfe von Sportstar-Erzählungen. Sportstar-Texte selbst werden intensiv (positiv wie negativ) über Ortskonnotationen (z.B. Francesco Tottis Romanità, vgl. auch Butler-Warke 2022 zum „reverse place branding" bei Robbie Fowlers „Ghetto" Liverpool- Toxteth etc.) vermittelt. In welcher Weise werden räumliche Konflikte (lokal/global, deindustrialisiert-schrumpfende Peripherie/wachsende Metropolen etc.), Atmosphären, Identitäten und Habitus anhand von Sportstars artikuliert?

Mediengeschichtliche Perspektiven

Vielfach wurde auf den Zusammenhang zwischen (west-)deutscher Identitätsproduktion, der Entstehung des Privatfernsehens in den 1980er Jahren und Stars wie Steffi Graf und Boris Becker hingewiesen. Neue Medien würden entsprechend neue Sportstars bzw. neue Inszenierungspraktiken ermöglichen bzw. affordieren (Naglo 2019). Entsprechend scheinen gegenwärtig etwa Instagram und TikTok neue Starmodelle, Self-Management-Praktiken (Yoo 2022) und Fan-Star-Identifikationen hervorzubringen.

In welchem Verhältnis stehen solche Medienumbrüche und Sportstar-Inszenierungen? Wie verändern sich so zentrale Kategorien wie Nähe und Distanz im Zusammenhang mit Starkonzepten? Welche Spezifika des Sportstar-Systems lassen sich an omnipräsenten Sportcomputergames beobachten bzw. am Spielen/Verkörpern von Stars ebendort?

Pop-Perspektiven

Die Überschneidungen zwischen Pop und Sportstars sind Legion: Von subkulturellen Artefakten wie Boris Beckers Auftauchen in der Hamburger Funpunk-Single Ist das der Weg zur Hafenstraße? (1990) der The Tie-Breaks über Michael Jordans Musikvideoauftritt in Michael Jacksons Jam (1992) bis hin zu Beschreibungen von generationellen Homologien, wie sie Kusz (2001) für Andre Agassi und die Grunge-Generation X beschreibt, gibt es immer wieder enge Verbindungen von Sport und Pop. Wie hat sich das Verhältnis von Pop und Sport(-stars) verändert? Wie lassen sich gegenwärtige Konstellationen beschreiben?

Erzählanalytische Perspektiven

Die (Auto-)Biographisierung von Sportstars sowie die Nacherzählung berühmter Sportereignisse wird mitunter als märchenhaft, sagenhaft, legendär beschrieben (z.B. das Wunder von Bern), womit bestimmte Emplotments gemeint sind, denen die Star- bzw.

Ereignisdarstellung folgt. Im Anschluss daran kann danach gefragt werden, welche (populären) Gattungen des Erzählens (Schwank, Legende, Sage, Märchen etc.) in den Sportdiskurs integriert und gegebenenfalls variiert werden. Bildet, zum einen, der Sportdiskurs eigene Plotregeln aus, die das Erzählen organisieren? Oder sind die Sportmotive kontingente semantische Füllmengen (im Sinne der Fabula) einer stabilen populären Erzählarchitektur (im Sinne des Sujets) – wie ließe sich dies kulturanalytisch einordnen?

Theoretisch-konzeptionelle Perspektiven

Startheorien sind im Bereich der Popmusik und Filmwissenschaft seit langem etabliert (vgl. Weingart 2021). Wie können theoretische und methodische Transfers in den Bereich der Sportstars gestaltet sein? In welcher Weise sind Sportstar-Typen mit gesellschaftsanalytischen Methoden wie z.B. der conjunctural analysis zu denken (vgl. Andrews 2022 zu „ueber-sport", Lake zu Neoliberalismus und Tennis 2015 oder Giulianotti zu Vorstellungen von Meritokratie und Sport 1999)?

Erwünscht sind theoretisch und/oder empirisch ausgerichtete Beiträge, die sich den aufgeworfenen Fragen mit einer historischen und/oder gegenwärtigen Perspektive stellen – wobei selbstverständlich auch sehr gerne Fragen und Themen leitend sein können, die hier nicht erwähnt werden. Vorträge sind in deutscher und englischer Sprache möglich. Es ist geplant, die Ergebnisse der Tagung in Form eines Sammelbands / Special Issues zu publizieren. Vorbehaltlich der Finanzierungszusage wird angestrebt, die Reise- und Übernachtungskosten der Teilnehmenden zu übernehmen.

Beitragsvorschläge/Abstracts sind bitte bis zum 28.01.2023 zu senden an die folgenden Adressen: sebastian.duemling[ at ]unibas.ch
j.springer[ at ]hs-osnabrueck.de

Kontakt

Nähere Informationen

sebastian.duemling[ at ]unibas.ch; j.springer[ at ]hs-osnabrueck.de