Call for Papers

Für die Abschlusstagung des Kollegs „Wissen | Ausstellen. Eine Wissensgeschichte des Ausstellens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts“ @uniGoettingen vom 8.-10.12.2022; Einreichung von Proposals bis 31.07.2022

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Description

CfP: Friktionen. Für eine politische Wissensgeschichte des Ausstellens

Abschlusstagung des Kollegs „Wissen | Ausstellen. Eine Wissensgeschichte des Ausstellens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts“, 8.-10.12.2022 | Deadline: 31.07.2022

Ausstellungen sind das Ergebnis vielschichtiger Prozesse, in denen unterschiedliche Akteur:innen, Fachkulturen und Wissensbestände innerhalb von institutionellen, räumlichen, technischen, ökonomischen und politischen Bedingungen aufeinandertreffen. Nicht selten ist der Ausstellungsprozess von Spannungen und Konflikten gekennzeichnet. Die Abschlusstagung des Forschungskollegs „Wissen | Ausstellen. Eine Wissensgeschichte von Ausstellungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts“ nimmt daher den Begriff der Friktionen in den Blick. Friktionen (lat. frictio, Reibung) verstehen wir nicht nur als kritische, widerständige, heterogene und unstete Phänomene, die ein Machtfeld unterbrechen oder irritieren, sondern ebenso als machtstabilisierende und generative Momente in Transformationsprozessen.[1] „Hegemony is made as well as unmade with friction” schreibt die Kulturanthropologin Anna Lowenhaupt Tsing.[2] Gerade in der musealen und kuratorischen Praxis kommt es zu solchen Friktionen, die die ausstellenden Institutionen herausfordern, die bewältigt und ausgeglichen werden müssen und die zuweilen auch produktiv und fruchtbar gemacht werden. Die Betrachtung dieser Ambivalenzen bietet sich für eine Erforschung des wechselseitigen Verhältnisses von Wissen und Ausstellen geradezu an, denn auf diese Weise können sowohl Beharrungstendenzen, als auch (Neu-)Produktionen von kulturellem Wissen sichtbar gemacht werden.

Im Fokus der Tagung steht der explizit politische Charakter von Wissensgeschichte(n).[3] Das in Ausstellungen exponierte Wissen ist – anders als häufig angenommen – nicht evident, sondern vorläufig, dynamisch, situiert und nicht zuletzt umstritten.[4] Museen und Ausstellungen sind Austragungsorte für Kämpfe und Debatten um Deutungen, Repräsentation und Teilhabe und daher eng mit Machtverhältnissen und Hierarchien verbunden. Die Tagung versammelt Fallstudien, welche die politischen Dimensionen der Wissensgeschichte herausarbeiten, und damit Kräfte- und Machtverhältnisse sowie das Aushandeln und Ordnen im Ausstellungskomplex aufzeigen. Solche Aushandlungsprozesse können insbesondere über eine involvierte, intervenierende Forschungspraxis untersucht werden, die in der Arbeit des Graduiertenkollegs in Form eines Praxisjahrs in Partnermuseen programmatisch angelegt ist. Vor dem Hintergrund dieser praxeologischen Forschung im Kolleg plädiert die Tagung für eine Konzeption von Wissensgeschichte als politische Praxis. Sie fragt nach den Spannungen zwischen Theorie und Praxis, nach historischen Verwerfungen in Ausstellungsprojekten, folgt dem Einhegen von Kontingenzen durch das Kuratieren, dem Umgang mit oder gar der Produktion von unbehaglichen Brüchen und diskutiert so einen friktionszentrierten Blick als Form der Kritik.

PODIUMSDISKUSSION: Friktionen zwischen Theorie und Praxis

Welche Herausforderungen birgt ein Erforschen der kuratorischen Praxis durch die Praxis selbst? Teil des Forschungskollegs war eine einjährige Feldphase in verschiedenen Museen, um an konkreten Ausstellungsprojekten mitzuarbeiten. Welche Brüche, Spannungen und Konflikte sind in dieser Konstellation zu Tage getreten? Wie ließ sich mit ihnen umgehen? In welches Verhältnis können Theorie und Praxis für die Erforschung von Wissensgeschichte(n) gerückt werden? Und welche Effekte zeigten sich in den beteiligten Institutionen? Auf dem Panel kommen Vertreter:innen aus den Kooperationsmuseen, aus dem Kreis der Kollegiatinnen und anderer vergleichbarer Forschungsprogramme zu Wort.

PANEL I: Historische Friktionen. Kuratieren in der DDR zwischen Einklang und Widerstand

Die kulturwissenschaftliche Forschungs- und Museumslandschaft der DDR, ihre kuratorischen Praktiken und Ausstellungen bilden ein weites, jedoch über lange Zeit weitgehend ignoriertes Feld.[5] Ein Hauptgrund für diese Schieflage liegt im pauschalen Vorwurf totaler und zentralistischer staatlicher Kontrolle, die eine im weitesten Sinne ‚objektive‘ wissenschaftliche Arbeit verhindert und stattdessen für ideologisch verfärbte Ergebnisse gesorgt habe.[6] Im Mittelpunkt des Panels steht die Erforschung einer Ausstellungspraxis, die nicht nur mit starren, (kultur-)politischen Strukturen und Hierarchien konfrontiert war, sondern zugleich auch Möglichkeiten des Umgehens und des Widerstandes suchte.

PANEL II: Friktionen einhegen: Kompromiss – Glätten – Kuratieren

Kuratieren lässt sich als transformierende Praxis verstehen, die Brüche und Kontingenzen in eine stringente Erzählung überführt. Solche Glättungen können auf inhaltlicher Ebene beobachtet werden oder Aushandlungsprozesse im Rahmen der Konzeption der Ausstellung verbergen. Glättungen sind darüber hinaus auch an Sammlungsobjekten feststellbar, denen im Prozess ihrer Präparierung oder Restauration ein bestimmtes Wissen und bestimmte Funktionen eingearbeitet werden. Das Panel widmet sich diesen Prozessen der Vereinheitlichung und seinen Bedingungen. Im Fokus stehen Formen der Reduktion von Komplexität und Navigation um umkämpfte Deutungshoheiten, sowie der Kompromiss verschiedener und zum Teil gegenläufiger an die Ausstellung gerichteter Bedürfnisse.

PANEL III: Friktionen produzieren, Unbehagen kuratieren

Konflikte verursachen Reibung und Reibungsverlust, Hitze, Bewegung und Widerstand und das ist (zuweilen) unbehaglich. Wie keine andere Debatte fordert die von der postkolonialen Theorie beeinflusste Kritik am Museum die Positionierung der Forschenden und der Institution ein. Sich die weiße Sprecher:innen-Position oder die eigene Verstrickung in Herrschafts- und Gewaltverhältnisse bewusst zu machen, kann Unbehagen auslösen, das zunehmend von einer kuratorischen Praxis eingefangen und produktiv gemacht werden soll. Auch die Inszenierung menschlicher Körperteile ist gekennzeichnet von einem moralischen Konflikt zwischen Schaulust und respektvoller Zurückhaltung. An den Beispielen der postkolonialen Museologie und dem Umgang mit menschlichen Überresten adressiert das Panel das Verhandeln und gleichzeitige Erforschen solcher Reibungen: Wie lässt sich Unbehagen und der Umgang mit Emotionen (verantwortungsvoll) kuratieren? Und wie können diese museologisch erforscht werden? Welche (impliziten) ethischen Maximen liegen dem Ausstellen zugrunde, welche werden reflektiert und umgesetzt?

PANEL IV: Instituierende Praktiken und Gegen-Geschichten. Friktionen als Hegemoniekritik

Museale Räume sind politische und umkämpfte Orte der Wissensproduktion, die insbesondere durch gegenhegemoniale Akteur:innen und ihre Praktiken herausgefordert werden. Dass Ausstellungen gesellschaftliches Wissen und Öffentlichkeiten verhandeln, bedeutet auch, ihnen eine aktive Rolle in der (Re-)Produktion und Transformation von Ungleichheitsverhältnissen zuzusprechen. In diesem Panel stehen sogenannte instituierende Praktiken im Fokus, die Allianzen mit anderen politischen und sozialen Bewegungen und Diskursen außerhalb des musealen Feldes eingehen, um bestehende Machtverhältnisse zu kritisieren und eine Veränderung durch die Intervention in und über bestehende museale Institutionen zu bezwecken.

PANEL V: Akademische Friktionen. Herausforderungen einer praxeologischen Forschung

In diesem Panel geht es um die Reflexion der multimethodischen und praxeologischen Forschung am Graduiertenkolleg. Wie und mit welchen Methoden lässt sich implizites oder Praxiswissen in kuratorischen Prozessen erforschen? Wie kann mit der Materialität und der Kontingenz des Feldes umgegangen werden, mit Zufällen, Verselbstständigungen, Archivfunden und Barrieren, mit den Auswirkungen der Pandemie und sich verändernden Rahmenbedingungen? Zu welchen Neuausrichtungen und Methodologien führen die verschiedenen Involvierungen im Feld, in den Fachdisziplinen und im interdisziplinären Kollegsverbund?

OFFENES FORMAT: Künstlerische/Aktivistische Friktionen

In einem bislang noch offenen Format – z.B. Installation, Intervention, Videoarbeit etc. – wird es darum gehen, Friktionen mit künstlerischen, ästhetischen Mitteln zu begreifen. Ein künstlerischer oder aktivistischer Beitrag kann sich dabei auf die institutionellen Bedingungen jener Orte beziehen, in denen Wissen verhandelt und hervorgebracht wird, also etwa Museen, Galerien, Universitäten, Sammlungen. Auf diese Weise wird die Beziehung zwischen Ausstellen und Wissen, zwischen Kunst und Wissenschaft, Theorie und Praxis sowie zwischen Forschung und Museum hinterfragt. Hier könnten auch Materialien und Zeugnisse aus der Forschung des Kollegs wie etwa Blogbeiträge, Fotografien aus den Museen oder dem Arbeitsalltag einfließen, um eine visuelle Reflexionsebene des Forschungsprozesses zu eröffnen.

ORGANISATORISCHE INFORMATIONEN

Bitten senden Sie ein Proposal von max. 3.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen), kurzer Vita und Zuordnung zu einem Panel bis spätestens zum 31.7.2022 an wissen.ausstellen(at)uni-goettingen.de. Das Tagungsformat wird in Abhängigkeit von der pandemischen Lage und vorbehaltlich der Bewilligung der Mittel durch die VolkswagenStiftung durchgeführt. Im Falle einer Präsenzveranstaltung können die Reisekosten übernommen werden. Konferenzsprache ist Deutsch.          

          

[1] Vgl. Karp, Ivan; Kratz, Corinne A. et al. (Hg.): Museum Frictions. Public Cultures/Global Transformations. Durham, London: Duke University Press 2006.

[2] Tsing Lowenhaupt, Anna: Friction. An Ethnography of Global Connection, Princeton/Oxford 2005, S. 6.

[3] Vgl. jüngst Wulz, Monika; Stadler, Max; Güttler, Nils; Grütter. Fabian (Hg.): Deregulation und Restauration. Eine politische Wissensgeschichte. Berlin 2021.

[4] Vgl. Krüger, Klaus; Werner, Elke Anna et al. (Hg.): Evidenzen des Expositorischen. Wie in Ausstellungen Wissen, Erkenntnis und ästhetische Bedeutung erzeugt wird. Bielefeld: transcript 2019 oder Thiemeyer, Thomas: Das Museum als Wissens- und Repräsentationsort, in: Markus Walz (Hg): Handbuch Museum. Geschichte, Aufgaben, Perspektiven, Stuttgart: Metzler 2016, S. 18-21.

[5] Erst aktuell verstärkt: Vgl. Hans Joachim Neidhardt: Über dem Nebelmeer. Lebenserinnerungen, Dresden 2020, S. 156. Vgl. außerdem: Mareile Flitsch/Karoline Noack: Museum, materielle Kultur und Universität. Überlegungen zur Parallelität und Zeitgenossenschaft der DDR/BRD-Ethnologien im Hinblick auf eine Standortbestimmung mit Zukunftsaussichten, in: Zeitschrift für Ethnologie 144 (2019), S. 163–198.

[6] Vgl. Flitsch/Noack 2019, S. 166.

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