CfP - DGEKW Arbeitskulturen - Tagung 2025

Call for Papers zur 21. Arbeitstagung der DGEKW-Kommission Arbeitskulturen, 19.–21.02.2025, Universität Marburg. First zum Einreichen der Abstracts: 15.11.2024

Summary

Description

Tagung 2025: Körperlichkeit und Materialität in der Arbeitswelt – Call for Papers

21. Arbeitstagung der dgekw-Kommission Arbeitskulturen, am 19.–21.02.2025, Universität Marburg, Hörsaal in der Deutschhausstraße 3

Im mitteleuropäischen Kontext ist vor allem in historischer Perspektive der Einsatz von Körpern und der Umgang mit Dingen und Objekten ein sattsam bekanntes Charakteristikum von Arbeitsleistungen.  Mit dem Ausbau der Verwaltung sowie des Servicebereichs ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schwand die purposeful and pleasurable work inklusive körperlicher Anstrengung und Belastung sowie dem Umgang mit Objekten merklich, dafür steigerten sich die mentalen und emotionalen Anforderungen an Schreibtischarbeit und in der Dienstleistungsbranche.

Doch trotz der Sicherheitsauflagen für Computerarbeit sind Rückenprobleme und Herz-Kreislauferkrankungen heute Legion. Und auch die Materialität der Arbeitsplätze wie die körperliche Betätigung sind nach wie vor in Gestalt von Infrastrukturarbeit (Pflege, Krankenhaus, Straßenmeistereien, Müllwerke, Feuerwehr, Speditionen und Logistikunternehmen, Bodenpersonal an Flughäfen, Rangierwerke von Zügen, Abwasserwirtschaft, Hoch- und Tiefbau etc.) üblich. Die körperliche Betätigung kann in diesen Fällen erst Beruflichkeit ermöglichen sowie physische Arbeitsleistung als ein satisfaktionierender Effekt erlebt werden und wie im Handwerk eine zu perfektionierende Praxis sein (problem solving at the workbench), aber auch zu Widerstand und Subversion genutzt werden kann.

Bei Computerarbeitsplätzen sind Körperlichkeit und Materialität weiterhin gegeben, wenn diese auch insbesondere bei stundenlanger Befassung mit Arbeits- und Kommunikationsinhalten in monotoner Haltung belasten können. Längst noch nicht alle Firmen haben bewegungsförderliche Trainingsräume oder bieten Arbeitsplatzgymnastik an. Und in der Landwirtschaft wie auch in vielen Infrastruktur- und Handwerksberufen ist körperlicher Einsatz und eingespielter Umgang mit Dingen und Objekten nach wie vor alltäglich (z. B. etwa Landwirte, Bergleute, Heizungsbau, Dachdecker, Umzugsteams).

Körperlichkeit und Materialität in der Arbeitswelt sind also nach wie vor anzutreffen, wenn sich in der historischen Entwicklung auch vieles deutlich verändert hat sowie die soziokulturelle Bedeutung von Arbeit – und damit auch das Engagement und die Erwartungshaltung der Arbeit gegenüber ‒ einem konstanten Wandel unterliegt. Der Call for Papers wendet sich an Forschende der Kulturwissenschaften und benachbarter Disziplinen sowie an Museen.

Folgende Themenfelder werden auf dieser Tagung adressiert (nicht abschließend):

Die Körperbedingtheit von Arbeit historisch und gegenwärtig

  • Wie verhält sich das Verhältnis von privater zuträglicher körperlicher Flexibilität und belastender körperlicher Monotonie im Bereich der Arbeit?
    • Gegenüber einer die verschiedenen Körperzonen beanspruchenden Produktivität weist industrielle und postindustrielle Arbeit eine Tendenz zur monotonen körperlichen Beanspruchung auf. (Bsp. ehemalige Fließbandarbeit in der PKW-Industrie mit immer denselben Handgriffen; Herausforderungen von Infrastrukturarbeit, moderne Büroarbeit in stundenlanger starrer Haltung vor dem Computerbildschirm). Welche körperlichen und mentalen Effekte und Auswirkungen auf die dergestalt Arbeitenden sind festzustellen?
  • Arbeit und körperliche Beanspruchung
    • Wenn Dinge und Objekte heute mit unterschiedlichen Palettensystemen, Hebebühnen, Kränen etc. transportiert werden können, waren die Transportmöglichkeiten früher eher selten und Arbeitende mussten schwere und sehr schwere Dinge und Objekte selbst bzw. gemeinsam tragen. Die Länge der Arbeitszeiten hat sich seit dem 19. Jahrhundert deutlich verkürzt, allerdings aber auch zum Preis der Arbeitsverdichtung. Geht damit auch der Wandel körperlicher Beanspruchung früher zu mentaler Belastung heute einher?  
  • Arbeitsbedingte Krankheiten
    • Arbeit früher war in vielen Fällen körperlich ambivalent: Sie war einerseits körperlich attraktiv, andererseits richteten sich Arbeitsunfälle früher vor allem auf die Gliedmaßen (Hände, Arme, Beine) mit der Folge von Prothesen und Ersatzteilen (Disability-Studies). Heute geschehen derartige Verletzungen eher im privaten Bereich. Die körperlichen Entlastungen im Arbeitsfeld befördern vorwiegend innere Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Rückenprobleme. Körperliche Arbeit und Umgang mit Materialität war und ist jedoch nicht nur belastend, sondern auch satisfaktionierend und im positiven Sinn persönlichkeitsformend. Bei jüngeren Arbeitnehmern zeigt sich allerdings aufgrund einseitig auf Freizeit und Studium ausgerichteter Erziehung und schulischer Berufspolitik im Rahmen von Krankschreibungen ein sensibleres Frühwarnsystem mit Priorisierung der Selbstsorge und Gesundheit. Freilich hat hier auch die körperliche Fitness im Durchschnitt abgenommen.  
  • Genderspezifische Arbeitsbelastungen
    • Die Arbeitswelt war früher vorrangig männlich dominiert aufgrund der geschlechterspezifischen Trennung von weiblicher Haushalts- und Pflegetätigkeit und männlich externer Arbeitswelt. Diese Trennung löst sich zunehmend auf und Frauen übernehmen längst Handwerks- und Industrie- und Büroarbeit neben den Männern. (Frigga Haug 2008) Die geschlechtsbedingte Lohnlücke besteht allerdings nach wie vor, wenn sie aktuell auch etwas kleiner wird. Und Elternzeitregelungen werden längst noch nicht von beiden Geschlechtern paritätisch erfüllt. Erleben Frauen Arbeitserfüllung bzw. Arbeitsbelastungen anders als Männer?

Arbeitsbezogene Objekte und Materialitäten

  • Handarbeit historisch und aktuell
    • Die Hände waren früher im tätigen Umgang mit verschiedenen Materialien viel stärker beansprucht und gezeichnet durch Arbeit und sind es nach wie vor in diversen Infrastruktur- und Handwerksberufen als bei aktueller Büroarbeit und Dienstleistungsarbeit. Dort ist Handarbeit nach wie vor wichtig (www.hography.com), allerdings bieten heutige Computertastaturen und Smartphone-Bildschirme fingerfreundliche Umgebungen ohne Gefährdung des Tastsinns.      
  • Muskuläre Arbeitsleistungen historisch und aktuell
    • In aktuellen Arbeitskontexten taucht eine ganzkörperliche Beanspruchung nur noch in diversen Handwerken und Infrastruktur- und Industriezweigen auf, wo ein voller Körpereinsatz inklusive der Rumpfpartie und den Beinen zu leisten ist, was früher üblich war. Dieser Körpereinsatz leitete auch widerständiges und subversives Verhalten an. Heute tendieren sitzende Arbeitshaltungen zu einer Schwächung der Rückenmuskulatur und nachfolgenden Rückenpro-blemen. Auch Arbeiten bei Hitze oder Kälte erfordern Schutzkleidung bzw. angepasste Arbeitszeiten, um körperlichen Stress zu vermeiden. (Trevor H. J. Marchand 2022)
  • Arbeit und Schmutz bzw. Dreck
    • Früher war Arbeit mit Metall, Holz und Ton bzw. am Bau automatisch mit Schmutz und Dreck verbunden, der sich auch an der Kleidung und den Arbeitshänden anlagerte. Heute ist dies auf wenige Branchen zurückgenommen, etwa die Montage oder am Bau. (www.hography.com) Einem aktuell verbreiteten Berufsklischee zufolge macht Büro am wenigsten Stress, der Verkauf heißt Stehen von früh bis spät, und bei der Montage macht man sich schmutzig. Büroarbeit kommt hier also am besten weg, während der Kontakt zu Schmutz und Dreck von jungen Jobsuchenden gerne vermieden wird.
  • Der mentale Umgang mit körper- bzw. objektbezogenen Anforderungen bzw. Belastungen bei der Arbeit
    • Aktuelle Arbeitsorientierungen von jungen Arbeitnehmer:innen fokussieren ein positiv aufge-ladenes Arbeitsbild: Freude, Spaß und Sinnerfüllung stehen im Vordergrund, gefolgt von Kollegialität und einem guten Arbeitsklima. Belastende Faktoren sind sozial nicht mehr er-wünscht. Und jüngere Arbeitnehmer identifizieren sich nicht mehr so stark mit der Arbeit. Mit den jungen Digital Natives, die mit dem Internet und dem Smartphone sowie mit social media aufwuchsen, vollzieht sich zudem ein Generationenwechsel der Arbeitnehmenden, da diese oft andere Wünsche und Erwartungen bezüglich ihrer Arbeit aufweisen als ältere Kolleg:innen. Bei früheren Arbeitergenerationen genießt Arbeit einen hohen Stellenwert und sie bringen deshalb viel Energie, Tatkraft, Leidenschaft und Erfahrung ein (Hannah Arendt: Vita activa oder vom Tätigen Leben. 1967).

Bewerbung für die Arbeitstagung

Wir bitten um ein halbseitiges Abstract des geplanten Vortrags sowie eine knappe biografische Angabe mit Schwerpunkt der Studienfächer und Abschlüsse bzw. des Berufes (maximal eine halbe Seite).

Bitte senden Sie das Abstract mit dem Lebenslauf als PDF bis zum 15. November 2024 (Deadline) an manfred.seifert[ at ]staff.uni-marburg.de

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