Die Kirche im Dorf lassen...?

Einladung zur 5. Tagung der Kommission für Religiosität und Spiritualität in der dgv: Die Kirche im Dorf lassen…? Zur Bedeutung von Religiosität und Spiritualität im ländlichen Raum, 11.-12. Juni 2021 (online)

Zusammenfassung

Beschreibung

Die Kirche im Dorf lassen …? Zur Bedeutung von Religiosität und Spiritualität im ländlichen Raum

5. Tagung der Kommission für Religiosität und Spiritualität in der dgv
Online vom 11. bis 12. Juni 2021
In Zusammenarbeit mit dem LVR-Freilichtmuseum Kommern (Mechernich)

Anmeldung hier (bis zum 9. Juni)

„Nur in der Stadt kannst du rein religiös sein“, behauptete der Ethnologe Werner Schiffauer 2011 in einem Gespräch mit dem katholischen Priester Leo Penta. Schiffauer äußerte damit die Vermutung, dass nur die Stadt genügend sozialen und kulturellen Freiraum zur Gestaltung ganz eigener Vorstellungen des Religiösen wie Spirituellen biete, die lediglich dort mit Gleichgesinnten umgesetzt werden könnten. „Auf dem Dorf“ sei Religion dagegen immer stärker in soziale Lebenszusammenhänge eingebettet und tendenziell gesellschaftlichen Repressionen unterworfen. Dieser Stoßrichtung einer behaupteten größeren Vielfalt des Religiösen und Spirituellen im urbanen Raum folgten seither thematisch einschlägige Tagungen und Publikationen. Religiöse und spirituelle Transformationsprozesse im ländlichen, nicht selten als peripher wahrgenommenen Raum gerieten dagegen in den letzten Jahren etwas aus dem Fokus der kulturanthropologischen Forschung.

Die Mehrfachnutzung und Umwidmung sakraler Bauten, unerwartete interreligiöse Zusammenarbeiten und Allianzen, die bewusste Ansiedlung religiöser Gemeinschaften, die historische Bedeutung des „Landjudentums“, die Anwendung alternativ-spiritueller Kulturtechniken, die Präsenz neureligiöser und neuheidnischer Bewegungen sowie hybrider Formen des Religiösen und die generelle Bedeutung religiöser Institutionen als zivilgesellschaftliche Akteure zeigen, inwiefern der ländliche Raum mitnichten lediglich ein Hort von Bewahrung und Beharrung ist. Vielmehr finden wir auch hier Möglichkeitsräume religiös-spiritueller Hoffnungen und Fragen vor, Orte religiöser Auf- und Umbrüche sowie der Diversität. Die Suche nach und das Entdecken von Entschleunigung, innerer Zufriedenheit und neuer Kreativität stellen zwar einerseits Topoi dar, die gerade im ländlichen Kontext befördert werden. Allerdings motivieren und provozieren sie andererseits vielfältige religiöse und spirituelle Sinnentwürfe, Lebensstile und Topographien, die einer dichten Beschreibung und differenzierten Kulturanalyse bedürfen. Um einer Reproduktion romantischer Stereotype vorzubeugen, darf dabei natürlich nicht übersehen werden, dass die ländlich geprägten Regionen Europas trotz etwaiger politischer Förderlinien mitunter schwer mit den Folgen des demografischen Wandels und infrastrukturellen Defiziten zu kämpfen haben – was sich u.a. im Zustand der religiösen Institutionen widerspiegelt. Diesen Aspekten soll auf der 5. Tagung der Kommission für Religiosität und Spiritualität in historischer wie gegenwartsorientierter Perspektive nachgegangen werden.

Programm

Freitag, 11. Juni

ab 12.30 Uhr    Virtuelles Ankommen

13:00-13:30 Uhr         Begrüßung   
Josef Mangold (Kommern), Christine Bischoff (Kiel), Mirko Uhlig (Mainz)

Aushandlung sakraler Räume

13:30-14.15 Uhr         Gemeinschaft und Gesellschaft im Kirchenraum
Jens Wietschorke (Wien/München)

14:15-15:00 Uhr         Was bleibt vom Notkirchenprogramm? Transformationsprozesse in den evangelischen Notkirchengemeinden seit 1948
Alina Hilbrecht und Raphael Thörmer (Kommern)

15:00-15:30 Uhr         Auf einen (virtuellen) Kaffee/Tee

Wa(h)re Region – wa(h)re Religion?

15:30-16:15 Uhr         Ritual, Opfer, Kulte. Zum populärmedialen Othering des Ländlichen über das Religiöse
Manuel Trummer (Regensburg)

16:15-17:00 Uhr         Religiöser Protest in Stadt und Land – und darüber hinweg
Claudia Willms (Frankfurt a. M.)

17:00-17:45 Uhr         Erleuchtung auf dem Lande: Von Gurus, Stupas, Tantrakursen und Meditations-Retreats in der deutschen Provinz
Martin Papenheim (Bochum) 

17:45-18:30 Uhr         Pause

18:30-19:30 Uhr         Filmvorführung und Diskussion mit den Filmautor*innen
Dagmar Hänel (Bonn), Carsten Vorwig (Kommern)

ab 19:30 Uhr              Virtuelles Beisammensein und Kommissionstreffen (offen für alle)

Samstag, 12. Juni

Erinnern und Erneuern

09:00-09:45 Uhr         Die Synagoge bleibt im Dorf! „Vervollständigung" als Argumentationsfigur bei der Initiierung neuer Dokumentations- und Sanierungsmaßnahmen an ehemaligen Orten jüdischen Lebens im ländlichen Franken
Jochen Ramming (Würzburg)

09:45-10:30 Uhr         Eine Synagoge zieht um – Der Wiederaufbau der Allersheimer Synagoge im Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim
Jonas Blum (Bad Windsheim)

10:30-11:00 Uhr         Austausch bei (virtuellem) Kaffee/Tee

Materialität und Medialität

11:00-11:45 Uhr         Schreiben, um gehört zu werden. Zur Materialität religiöser Kommunikation im Medium des Anliegenbuchs
Sabine Kienitz (Hamburg)

11:45-12:30 Uhr         „...von meinen Händen geschrieben". Materialität und Alltagspraxis von Himmelsbriefen im Ersten Weltkrieg
Theresa Müller (Hamburg)

12:30-13:15 Uhr         Die spanische ländliche Region von Las Hurdes: vom „rauen Tal voller Dämonen" zum „Paradies des Übernatürlichen"
Marina Jaciuk (Eichstätt-Ingolstadt)

13:15-14:30 Uhr         Mittagspause

Empfangen und Entsenden

14:30-15:15 Uhr         Die Kirche im Dorf und der Kindersegen: Vorurteile über die Familienplanung von Pfarrehepaaren während des Fertilitätswandels
Katerina Piro (Mannheim)

15:15-16:00 Uhr         „Vom Dorf auf einen fremden Kontinent". Missionarinnen aus ländlichen Familien und ihre Art der Emanzipation
Christine Aka (Cloppenburg/Vechta)

16:00-17:00 Uhr         Abschlussdiskussion, Resümee und Verabschiedung

Tagungsorganisation
Christine Bischoff (Universität Kiel) und Mirko Uhlig (Universität Mainz)
in Zusammenarbeit mit dem LVR-Freilichtmuseum Kommern (Mechernich)

Kontakt

Nähere Informationen

Christine Bischoff | Mirko Uhlig