Fiktionalität: Material für, Übersetzung von, Reflexion über Wissenschaft

Der Workshop findet am 24./25.5.2024 am Hanse-Wissenschaftskolleg in Delmenhorst statt. Die Frage ist, auf welchen Ebenen Fiktionen für die wissenschaftliche Arbeit fruchtbar gemacht werden können. Anmeldung bis: 05.05.2024

Zusammenfassung

Beschreibung

Fiktionalität: Material für, Übersetzung von, Reflexion über Wissenschaft

Zu Nutzen – und Gefahren? – des Verhältnisses von Fiktionalität und Wissenschaft

 

Workshop am 24./25.5.2024 am Hanse-Wissenschaftskolleg in Delmenhorst

 

Im März 2013 veröffentlichten die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot und der Schriftsteller Robert Menasse einen Artikel, in dem Menasse ein erfundenes, proeuropäisches Zitat von Walter Hallstein unterbrachte, das in dem Text explizit als Wahrheit deklariert wurde. Gegen die folgende Kritik nahm Menasse in Anspruch, dass Schriftsteller – anders als Wissenschaftler – mit fiktionalen Mitteln Wahrheit aus verstreuten Fakten verdichten dürften.

Kritiker dagegen monierten, dass auch Schriftsteller Fiktion nicht als Wahrheit ausgeben dürften – zumal die „Aussage“ Hallsteins danach mehrfach zitiert worden ist, bis Historiker vergeblich das Original suchten. Andererseits haben auch Wissenschaftler:innen immer wieder mit literarischen Techniken gearbeitet, wenn ihnen empirisches Material fehlte, etwa die Historikerin Natalie Zemon Davies oder Alain Boureau. Entscheidend war und ist, dass dieses Vorgehen den Leser:innen im Text offengelegt wurde und wird.

In diesem Sinne soll der Workshop die Grenze zwischen Fiktion und Wissenschaft produktiv ausleuchten. Die Frage ist, auf welchen Ebenen Fiktionen für die wissenschaftliche Arbeit fruchtbar gemacht werden können, aber auch, ob dadurch eine Gefährdung des Wahrheitsanspruches der Wissenschaft entstehen könnte. Vier Dimensionen sollen aufgefächert werden: 

  • Fiktion als empirisches Material für die Wissenschaft: Inwieweit können Fiktionen empirisches Material substituieren bzw. inwieweit enthalten sie empirisches Material in einer anderen narrativen Form verdichtet?
  • Fiktion als Übersetzung von Wissenschaft: Inwieweit können wissenschaftliche Erkenntnisse oder Fragestelllungen in literarischer Form popularisiert werden, und was geht eventuell in dieser Transition verloren?
  • Fiktion als Reflexion über Wissenschaft: Inwieweit kann die literarische Transformation wissenschaftlicher Erkenntnisse Produktionsweisen sowie Stärken und Grenzen des wissenschaftlichen Weltzugangs sichtbar machen?

Schließlich:

  • Könnte in Zeiten „alternativer Fakten“ die Systemleistung der Wissenschaft – methodisch kontrolliertes, empirisch fundiertes, rational verhandelbares Wissen herzustellen – an Glaubwürdigkeit, also die „Währung“ der Wissenschaft an Wert verlieren, wenn fiktionale Texte innerhalb der Wissenschaft und eine Erosion der Grenze zur Wissenschaft aufgewertet werden? Könnte paradoxerweise die wissenschaftlich eigentlich innovative Verhandlung der Grenze zwischen beiden Feldern das Alleinstellungsmerkmal der Wissenschaft bedrohen?

Referent:innen:

Thomas Alkemeyer, Prof. Dr., Univ. Oldenburg, Soziologie

Beate Binder, Prof. Dr., HU Berlin, Europäische Ethnologie

Thomas Etzemüller, Prof. Dr., Univ. Oldenburg, Kulturgeschichte

Johannes Franzen, Dr., Univ. Siegen, Germanistik

Daniel Fulda, Prof. Dr., Univ. Halle, Germanistik

Thomas Jäkel, Berlin, Improvisationstheater

Thomas Klinkert, Prof. Dr., Univ. Zürich, Romanistik

Anton Kirchhofer, Prof. Dr., Univ. Oldenburg, Anglistik

Achim Saupe, Dr., Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam, Zeitgeschichte

Helmut Schmiedt, Prof. Dr. em., Univ. Koblenz-Landau, Germanistik/Schriftsteller

Angela Steidele, Dr., Köln, Schriftstellerin

Jens Wietschorke, PD Dr., LMU München, Empirische Kulturwissenschaft

 

Programm:

Fr., 24.5.2024, 13.15-19.15 Uhr

Begrüßung & Problemaufriss (Etzemüller)

Was ist Fiktion? Und wenn es verschiedene Arten davon gibt: Lassen sie sich zwischen Wissenschaft und Literatur aufteilen? (Fulda)

„Fiction meets Science“ (Kirchhofer)

Die Doku-Fiktion (Etzemüller)

Literarische Texte als Material und Medium soziologischer Erkenntnis (Alkemeyer)

Das epistemologische Potential der Literatur (Klinkert)

Ulla Hahn als Auto-Soziobiografin (Wietschorke)

Sa., 25.5.2024, 9.00-16.15 Uhr

Wissenschaft als Kunst: Rosenstengel (2015). Ein Werkstattbericht (Steidele)

Von der Literaturwissenschaft in die Literatur: Erfahrungsbericht über einen Ausflug (Schmiedt)

Legitimationsprobleme: Wie riskant ist die Grenzüberschreitung? (Binder)

Die Grenze falsch überschritten: Der Fall Manesse (Franzen)

Navigieren durch Raum und Zeit. Storyworlds zwischen Fiktion und Geschichte (Saupe)

Geschichtsvermittlung und Improvisationstheater (Jäkel)

Abschlussdiskussion: Potenzial für die Wissenschaft oder Gefährdung ihrer Glaubwürdigkeit?

 

Es wird eine Tagungsgebühr von 50 € erhoben. Darin ist die Verpflegung auf der Tagung im HWK enthalten. Anmeldung (beschränkte Platzzahl!) bitte bis 5.5.2024 an thomas.etzemueller[ at ]uol.de

Kontakt

Nähere Informationen

thomas.etzemueller[ at ]uol.de