Arbeitstreffen Kommission für Medizinanthropologie (DGEKW)

Call for Papers für das Arbeitstreffen "Situierte Entscheidungen im Kontext von Krankheit und Gesundheit" der DGEKW Kommission Medizinanthropologie, 4.-5.12.2025, TU Berlin. Einsendungsfrist der Abstracts: 15.07.2025

Zusammenfassung

Beschreibung

Call for Papers – Situierte Entscheidungen im Kontext von Krankheit und Gesundheit

(TU Berlin, 4.–5.12.2025)

Adventstreffen der Kommission für Medizinanthropologienin der DGEKW (Deutsche Gesellschaft für Empirische Kulturwissenschaft) 

ausgerichtet im Fachgebiet Arbeitswissenschaft der TU Berlin 

04.-05. Dezember 2025 in Berlin

Entscheidungen im Kontext von Krankheit und Gesundheit werden häufig als individuelle und autonome Handlungen betrachtet – wie es in europäischen Rechtsprechungen sowie in zahlreichen medizinischen, psychologischen und soziologischen Theorien zum Ausdruck kommt. Gleichsam zeigen Ansätze aus der Medizinanthropologie, den Science & Technology Studies, der naturalistischen Entscheidungsforschung in der Psychologie und der interdisziplinären Gesundheitswissenschaft, dass Entscheidungen im Gesundheitsbereich nicht isoliert getroffen werden, sondern in vielfältige sozio-kulturelle, familiäre, organisationale, gesundheitsökonomische und politische Kontexte eingebettet sind.

Wir laden alle Interessierte herzlich ein, sich an einem interdisziplinären Austausch zur Situiertheit von Entscheidungen im Spannungsfeld von Krankheit und Gesundheit zu beteiligen. Wir freuen uns auf empirische, methodische oder theoretisch-konzeptionelle Beiträge zum Adventstreffen, um die Relationalität von Entscheidungsprozessen gemeinsam zu diskutieren. Dabei interessiert uns Situiertheit nicht als Ausnahmefall oder Abweichung von einer zu erfüllenden Norm, sondern als Ausgangspunkt eines besseren Verständnisses von Entscheidungsprozessen im Kontext von Krankheit und Gesundheit in ihrer alltäglichen Komplexität.

Entscheidungsprozesse in der Gesundheitsversorgung folgen komplexen Dynamiken: Leitlinien in Therapie und Diagnostik wie auch ökonomische Zwänge strukturieren Behandlungswege. Wie beeinflusst beispielsweise der Ressourcenmangel in sogenannten Krisengebieten oder ländlichen Regionen gesundheitliche Entscheidungsprozesse? Gleichzeitig sind Entscheidungen im Rahmen der eigenen gesundheitlichen Sorge an individuelle und sozio-kulturelle Wertesysteme und Normen gebunden.Inwiefern prägen diese Werte medizinische Entscheidungen in komplexen Alltagswelten?

Häufig ist die Entscheidungsfindung zudem von medizinischer Unsicherheit gekennzeichnet. Beteiligte Akteur:innen benötigen Kommunikations- und Gesundheitskompetenzen, um Entscheidungen treffen zu können. Welchen Stellenwert nehmen hier Erfahrungswissen oder Wissen der evidenzbasierten Medizin ein? Und welche Aushandlungsprozesse führen zu oder gegen eine Entscheidung?

Im europäischen Gesundheitswesen wird Patient:innen und Ratsuchenden durch Rechtsprechungen eine weitreichende Autonomie, beispielsweise bei der Wahl von Behandlungsoptionen und Pflege, zugesprochen. Diese Patient:innenautonomie steht jedoch nicht selten einer ärztlichen Autorität gegenüber, in welcher sich auch Wissenshierarchien manifestieren. Diese Dynamiken werden in den Sozial- und Kulturwissenschaften auch immer wieder als Fiktion dekonstruiert. Welche theoretischen Konzepte von (situierter?) Patient:innenautonomie und Entscheidungsfindung lassen sich in der Praxis lokalisieren? Wie sähe eine situiert(ere) Ethik der Pflege und Medizin aus? Welchen Einfluss haben dominante Kommunikationsmodelle in der Medizin (z.B. geteilte Entscheidungsfindung oder Konzepte der Gesundheitskommunikation) auf Entscheidungsprozesse? Und schließlich: Wie beeinflussen digitale Technologien und die Integration von KI Entscheidungsprozesse im Kontext Gesundheit und Krankheit, auch über geografische und soziale Räume hinweg?

Diese Fragestellungen ermutigen dazu, die vielschichtige Verwobenheit von Gesundheit, Körper, Umwelt, Technologie und menschlichem Handeln zu erkunden. Ihre und Eure Beiträge können helfen, theoretische Ansätze wie „relational materialism“, „bounded rationality“, oder „relational autonomy“ praxisnah zu vertiefen und gleichzeitig Impulse für eine menschenzentrierte Medizin setzen.

Wir freuen uns auf Beiträge zu folgenden und weiteren thematisch verwandten Aspekten:

  • geteilte Entscheidungsfindung in der medizinischen Beratung
  • informierte Einwilligung und ihre Herausforderungen
  • Entscheidungen über Leben und Tod: Bioethik und Medizinanthropologie
  • alternative Medizin und Entscheidungsprozesse
  • Entscheidungspraktiken in überlasteten Gesundheitssystemen
  • relationale Medizinethik und Autonomie
  • partizipative Prozesse
  • Entscheidungsfindung in Notfallsituationen
  • Familien- und Gemeinschaftseinfluss auf Entscheidungen
  • materielle und infrastrukturelle Bedingungen von Entscheidungen
  • Entscheidungsfindung und die Rolle von Gesundheitskompetenz
  • digitale Technologien und situierte Entscheidungen
  • körperliches Erleben und situierte Entscheidungen

Formalia

Das Arbeitstreffen ist interdisziplinär ausgerichtet und wendet sich an Wissenschaftler:innen aus Ethnologie, Empirischer Kulturwissenschaft, Medizinanthropologie, Soziologie, Psychologie, Pflegewissenschaft, Geschichte, Geschlechterforschung, Medizin, Religions- und Medienwissenschaft sowie angrenzenden Disziplinen. Dabei möchten wir explizit auch Nachwuchswissenschaftler:innen einladen, sich am interdisziplinären Austausch zu beteiligen. Geplant sind 20-minütige Präsentationen inkl. anschließender Diskussion. Die Tagungssprache ist Deutsch. Es wird ein Verpflegungsbeitrag in Höhe von 35,00 € erhoben.

Interessierte werden gebeten, ein Abstract ihres Vortragsthemas (300 Wörter) sowie eine kurze biografische Skizze (max. ¼ Seite) bis zum 15.07.2025 an folgende Mailadresse zu senden: entscheidungen(at)protonmail.com. Für inhaltliche Informationen stehen Ihnen und Euch Maren Heibges (maren.heibges(at)tu-berlin.de) und Sabine Wöhlke (sabine.woehlke(at)haw-hamburg.de) gerne zur Verfügung.

Dr. Maren Heibges (Fachgebiet Arbeitswissenschaft, TU Berlin) &
Prof. Dr. Sabine Wöhlke (Gesundheitswissenschaft und Ethik, HAW Hamburg)
Sprecherinnen der Kommission für Medizinanthropologie in der DGEKW

Kontakt

Nähere Informationen

Maren Heibges

maren.heibges[ at ]tu-berlin.de

Dokumente senden an

entscheidungen[ at ]protonmail.com