UM | WELT | EN Interdisziplinäre Perspektiven aus der ontologischen Wende

Gesucht werden Beiträge für die Berliner Blätter | Ethnographische und ethnologische Beiträge Abstracts: 31.10.2019 Articles: 31.03.2020

Zusammenfassung

  • Was Call For ArticlesUM | WELT | EN Interdisziplinäre Perspektiven aus der ontologischen Wende
  • Wann to (Europe/Berlin / UTC100)
  • Wo Berlin Deutschland
  • Teilnehmer*innen Herausgeberinnen: Kathrin Eitel (Goethe-Universität Frankfurt, Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie) Michaela Meurer (Philipps-Universität Marburg, Fachgebiet Kultur- und Sozialanthropologie
  • benötigte Unterlagen Beitragsvorschläge (deutsch oder englisch) sollten einen Umfang von 4.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) nicht überschreiten
  • URL https://www.euroethno.hu-berlin.de/de/forschung/publikationen/berliner-blaetter
  • Termin herunterladen event_note iCal Datei herunterladen

Beschreibung

(See English version below)

Im August 2019 steht der Amazonaswald in Flammen; in Indonesien schaffen verkohlte Waldflächen Platz für Ölpalmen; in Sibirien bringen Feuer das Eis der Arktis zum Schmelzen. Weltweit gehen im September 2019 Hunderttausende auf die Straße und fordern die Umsetzung der in Paris vereinbarten Klimaziele. Zeitungen berichten von Müllbergen in Neu-Delhi, die bald so groß wie das Taj Mahal sind und die EU debattiert über ein Verbot von Plastiktüten. Wetterereignisse nehmen an Stärke zu, ebenso wie der Strom an Menschen, die auf der Flucht davor ihre Heimat verlassen müssen. Die Situation spitzt sich zu, die Beziehungen von Mensch und Umwelt scheinen sich zu transformieren.


Zeitgleich diskutiert die Wissenschaft in diversen Disziplinen und aus unterschiedlichen Perspektiven heraus über die ontologische Wende – auch in Hinblick auf Natur-Kultur-Verhältnisse und Mensch-Umwelt-Beziehungen. Während die Sozial- und Kulturanthropologie die Pluralität und Diversität von Existierendem und daran geknüpften Welten sichtbar macht, fokussieren Europäische Ethnologie/Kulturanthropologie und das Forschungsfeld Science and Technology Studies die multiplen Facetten des Seins und dessen Bedingungen. So fragen erstere danach, „was“ ist, letztere stellen die Frage nach dem „wie ist wann“ ins Zentrum. Dabei variieren die Forschungsgegenstände; sie umfassen Fragen kultureller (Kohn 2007) und alltäglicher Praxis (Mol 2003) ebenso wie Arten und Politiken der Wissensproduktionen (Latour/Woolgar 1981, Kuhn 1997 [1962]) – immer im Nexus von Technik, Wissen, Gesellschaft und Umwelt. Zeitgenössische Debatten fokussieren belebte und aktive Materie im Sinne eines Neuen Materialismus (bspw. bei Barad 2007) ebenso wie Arten des Hervorgebrachten (Mol/Law 2004) und dabei wirkende Hegemonien (Blaser 2013, De la Cadena 2010). Dabei zeigt sich nicht zuletzt die Multiplizität (Mol 2003) und Vielfältigkeit (Pickering 2017) von Sein und Welt. Dichotomien zwischen Gesellschaft und Technik (Haraway 2016) werden dabei ebenso aufgebrochen wie Natur und Kultur (Viveiros de Castro 1996, Descola 2005), die nun beispielsweise als NaturenKulturen konzeptionalisiert werden (Gesing et al. 2018).


Gemeinsam ist den Disziplinen, dass sie mit bisher grundlegend scheinenden ontologischen Gewissheiten brechen, damit neue und andere Einsichten in traditionelle und aktuelle Themenbereiche generieren und Auswirkungen darauf haben, wie wir Natur, Kultur, Umwelt, Materie und letztendlich Welt zukünftig verstehen und sehen wollen. Gemein ist ihnen auch ihr methodischer Forschungszugang, der markiert, was schon vor der ontologischen Wende Gegenstandsbereich der ethnologischen Disziplinen war: die Anerkennung des mit unterschiedlichen Konzepten gedachten Seins (Charbonnier et al. 2017). Dennoch gibt es sowohl weiterhin Kritik an der ontologischen Wende als solcher (Graeber 2015), als auch im Hinblick auf posthumane Perspektiven, die anthro-de-zentristisch wirken wollen, dabei aber die global-hegemonial gestaltete Wissensproduktion weiter zementieren (Braidotti 2019, Tuhiwai 2012).
In dieser Ausgabe der Berliner Blätter möchten wir Studien Raum geben, die ethnographische Beobachtungen aus dieser theoretischen Sicht heraus analysieren und interpretieren. Dies können kritische Analysen von wissenschaftlichen Verfahren sein wie Climate Change Modelling, von Klimaschutzmaßnahmen wie REDD+ oder von politischen Agenden zu Umweltschutz. Studien zu alltäglichen Praktiken um und mit Wasser, Land, Wald oder Müll können ebenso bearbeitet werden wie zum Konzept des Anthropozäns oder zu lokalen Wissenssystemen. Auch Bewegungen wie Fridays4Future oder Bündnisse gegen Wasserkraft oder Kohleabbau können behandelt werden.
Im Zentrum sollten dabei folgende Fragen stehen: Welche Seinsweisen lassen sich (wie) in der Empirie erkennen? Wie stellen sich Phänomene und Praktiken aus Sicht theoretischer Ansätze der ontologischen Wende dar? Welchen Nutzen können wir daraus ziehen und was bedeutet dies wiederum für die empirischen Phänomene? Darüber hinaus können auch Fragen nach Machtverhältnissen, Transformationsprozessen oder Diskursen und Normen diskutiert werden. Zudem interessiert uns die Frage nach möglichen Verbindungen zwischen den verschiedenen Disziplinen: Wo liegen Brüche und konzeptionelle Unterschiede zwischen Sozial- und Kulturanthropologie, Europäischer Ethnologie/Kulturanthropologie und dem Forschungsfeld der Science and Technology Studies? Wo lassen sich Theorien und Herangehensweisen aber auch gewinnbringend intergieren und wie kann eine solche theoretische Verbindung aussehen?


Organisation

Bitte senden Sie Ihre Abstracts bis zum 31. Oktober 2019 an folgende Adresse: eitel@em.uni-frankfurt.de
Eine Rückmeldung erfolgt daraufhin zeitnah. Die Beitragsvorschläge (deutsch oder englisch) sollten einen Umfang von 4.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) nicht überschreiten und neben einer kurzen Zusammenfassung Auskunft geben über zentrale Fragestellung, empirische Basis sowie den Stand der eigenen Forschung. Die fertigen Artikel erbitten wir bis zum 31. März 2020. Dieser Band wird online und im Open Access veröffentlicht.


Wir freuen uns auf Ihre Beiträge!

Herausgeberinnen: Kathrin Eitel (Goethe-Universität Frankfurt, Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie) Michaela Meurer (Philipps-Universität Marburg, Fachgebiet Kultur- und Sozialanthropologie

Englisch version:

UM | WELT | EN
Interdisciplinary perspectives from the ontological turn


In August 2019, the Amazon forest is on fire; in Indonesia, burnt forest areas are creating space for oil palms; in Siberia, fires are melting the ice of the Arctic. Hundreds of thousands of people around the world protest on streets in September 2019 and demand that the climate targets agreed in Paris be met. Newspapers report mountains of rubbish in New Delhi that will soon be as big as the Taj Mahal and the EU is debating a ban on plastic bags. Weather events are increasing in strength, as is the flow of people fleeing from their homes. The situation is worsening, the relationship between people and the environment seems to be transforming.
At the same time, science is debating the ontological change in various disciplines and from different perspectives – also, with regard to nature-culture relations and human-environment relations. While social and cultural anthropology reveals the plurality and diversity of existing and associated worlds, European ethnology/cultural anthropology and science and technology studies focus on the multiple facets of being and its conditions. The former asks the question of "what" is, the latter asks the question of "how is when". The objects of research vary; they include questions of cultural (Kohn 2007) and everyday practice (Mol 2003) as well as types and politics of knowledge production (Latour/Woolgar 1981, Kuhn 1997 [1962]) - always in the nexus of technology, knowledge, society, and environment. Contemporary debates focus on vibrant and active matter in the sense of a New Materialism (e.g. in Barad 2007) as well as on types of the enacted (Mol/Law 2004) and the hegemonies that act on them (Blaser 2013, De la Cadena 2010). Eventually, the multiplicity (Mol 2003) and diversity (Pickering 2017) of being and the world are shown. Dichotomies between society and technology (Haraway 2016) and nature and culture (Viveiros de Castro 1996, Descola 2005) are broken up and now conceptualized for example as naturescultures (Gesing et al. 2018).
What the disciplines have in common is that they break with previously seemingly fundamental ontological certainties in order to generate new and different insights into traditional and current subject areas and have effects on how we want to understand and see nature, culture, environment, matter and ultimately the world in the future. What they also have in common is their methodological approach to research, which marks what was already the subject of ethnological disciplines before the ontological shift: the recognition of different versions, concepts, and perspectives of being (Charbonnier et al. 2017). Nevertheless, there is still criticism of the ontological turn as such (Graeber 2015), as well as of posthuman perspectives that want to have an anthro-decentralist effect, but at the same time further cement the globally hegemonic production of knowledge (Braidotti 2019, Tuhiwai 2012).
In this issue of the 'Berliner Blätter', we would like to give space to studies that analyze and interpret ethnographic observations from this theoretical perspective. These can be critical analyses of scientific processes such as climate change modeling, of climate protection measures such as REDD+ or of political agendas on environmental protection. Studies on everyday practices around and with water, land, forest or garbage can be done as well as on the concept of the Anthropocene or on local knowledge systems. Movements such as Fridays4Future or alliances against hydropower or coal mining can also be addressed.
The following questions should be at the center: Which ways of being can (how) be recognized in empiricism? How do phenomena and practices present themselves from the point of view of theoretical approaches to ontological change? What benefits can we derive from this and what does this mean for the empirical phenomena? Also, questions about power relations, transformation processes or discourses and norms can be discussed. We are also interested in the matter of possible connections between the various disciplines: Where do breaks and conceptual differences lie between social and cultural anthropology, European ethnology/cultural anthropology and the research field of science and technology studies? Where can theories and approaches also be profitably integrated and how can such a theoretical connection look like?


Organization
Please send your abstracts by 31 October 2019 to the following address: eitel@em.uni-frankfurt.de
You will then receive feedback as soon as possible. The proposed contributions (German or English) should not exceed 4,000 characters (including spaces) and, in addition to a short summary, should provide information on the central issue, empirical basis and the status of your own research. We request the finished articles by 31 March 2020. This volume will be published online and in Open Access.
We look forward to your contributions!

Editors: Kathrin Eitel (Goethe-Universität Frankfurt, Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie) Michaela Meurer (Philipps-Universität Marburg, Fachgebiet Kultur- und Sozialanthropologie

Kontakt

Nähere Informationen

Michaela Meurer

michaela.meurer[ at ]uni-marburg.de

Dokumente senden an

eitel[ at ]em.uni-frankfurt.de