Troubling Gender: Neue geschlechterpolitische Turbulenzen in Europa

CFP für Vorträge oder Panelideen für die nächste Arbeitstagung der Kommission für Genderforschung, die in Kooperation mit der Kommission Europäisierung_Globalisierung: Ethnographien des Politischen vom 9.-11.4.2021 an der Universität Göttingen stattfinden wird.

Zusammenfassung

Beschreibung

Wie die aktuellen Geschehnisse in Europa zeigen, sind Politiken rund um Geschlecht und Sexualität gegenwärtig äußerst virulent. Eine ganze Bandbreite genderbezogener Themen steht (erneut) zur Debatte, wie etwa transgender und queere Rechte, das Sexualstrafrecht, Gender Mainstreaming oder die Regulierung von reproduktiven Körpern, von Abtreibung, Reproduktionstechnologien oder Versorgungsinfrastrukturen. Auch Diversity- und Antidiskriminierungspolitiken, Fragen von Care, sozialer Reproduktion und einer nachhaltigen Wirtschaftsweise werden unter Bezugnahme auf Gender angesichts intersektionaler globaler Ungleichheitsverhältnisse aufs Neue verhandelt. Diverse Akteur*innen sind in diese Neuverhandlungen involviert: In Parteien und (internationalen) politischen Organen und in Gesetzgebungsverfahren, in Medien, verschiedenen Öffentlichkeiten und Bewegungen sowie in wissenschaftlichen Auseinandersetzungen werden Geschlecht, sexuelle Orientierung sowie identitäre Positionierungen kontrovers debattiert.

Der Blick auf verschiedene europäische Länder verdeutlicht den Ernst der Lage: So wird in Polen, Ungarn oder Kroatien versucht, das Recht auf Abtreibung zu beschneiden bzw. gänzlich aufzuheben; in Ungarn und Bulgarien wird Geschlechterforschung als Studienfach verboten; in Österreich wurden durch die FPÖ/ÖVP-Regierung Gelder für genderpolitische Projekte massiv gekürzt. In Frankreich und Italien werden Homosexuellenrechte durch rechtspopulistische Bewegungen in Frage gestellt, in Polen stark beschnitten und zugleich „LGBT-freie Zonen“ ausgerufen. Auch in deutschen Kommunal-, Landes- und Bundesgremien werden mit dem Einzug der AfD längst überwunden geglaubte Geschlechtervorstellungen und antifeministische Diskurse laut, die Erfolge der Geschlechterdemokratie sowie die errungene Liberalisierung der Geschlechterverhältnisse und sexuellen Praktiken als Bedrohung stilisieren (Lang/Peters 2018; Villa/Hark 2015; Sauer 2017). 

Angesichts der hier skizzierten Dynamiken möchten wir drei Problemstellungen in den Vordergrund rücken, anhand derer wir die Debatten strukturieren wollen:

  1. Regulationen: Policy, Regime, Recht, Wissen
    Über welche Sites, Scales, Politiken, Instrumente, Wissen und/oder Körperbilder wird versucht, Geschlechterverhältnisse zu regulieren? Welche moralischen/ethischen Formen der Strukturierung, welche Standardisierungen und Formen der Klassifikation und Benennung treten zutage? Was bedeuten diese für Ausschlüsse, Subjektivitäten und Handlungsräume? Welche Verflechtungen von Wissenschaft und Politik, welche Aushandlungen, Kollaborationen, Konflikte werden sichtbar?
  2. „Gender“ als Argument in Politiken
    Hierbei wäre insbesondere zu fragen: In wessen Namen werden „Gender“-relevante Argumente artikuliert? Auf welches „Gender“-Wissen wird dabei rekurriert? Und welche (intendierten wie nicht-intendierten) Effekte zeichnen sich dadurch ab?
  3. Praktiken und Politiken feministischer Interventionen
    Hier gilt es insbesondere neu zu sichten: Wie sind Feminismen selbst in Bewegung bzw.  welche Feminismen werden in sozialen Bewegungen virulent? Wie werden Feminismen artikuliert? Und welche neuen-alten Zusammenhänge zwischen Aktivismus/ Wissenschaft/ Feminismus können wir beobachten?

In verschiedenen Formaten möchten wir diesen verzweigten Strängen auf der Tagung Troubling Gender: Neue geschlechterpolitische Virulenzen in Europa nachgehen: Geplant sind neben Panels und Podiumsdiskussionen auch Roundtables und World Cafés. Dabei sind europäisch/ transnational argumentierende ebenso wie interdisziplinäre Perspektiven explizit erwünscht. Auch Nachwuchspanels und die Vorstellung von Abschlussarbeiten unterstützen wir gerne.

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shess[ at ]uni-goettigen.de