Erfahrung: Konzeptionen und Standortbestimmungen eines Schlüsselbegriffs der Europäischen Ethnologie

Workshop am Seminar für Europäische Ethnologie/Volkskunde der CAU Kiel, 19./20.November 2020

Zusammenfassung

  • Was Call For PapersErfahrung: Konzeptionen und Standortbestimmungen eines Schlüsselbegriffs der Europäischen Ethnologie
  • Wann to (Europe/Berlin / UTC100)
  • Wo Kiel Deutschland
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Beschreibung

Fremd- und Selbsterfahrung, Erfahrungsräume und  -horizonte, Erfahrungswelt, Kriegserfahrung, Erfahrungswissen, symbolische, soziale, sinnliche, institutionelle und emanzipatorische Erfahrung, Körpererfahrung, Grenzerfahrung, Zugehörigkeits-, Differenz- und Migrationserfahrung, biographische und ästhetische Erfahrung, Erfahrungsgeschichte und Erfahrungsberichte, „Erfahrung aus zweiter Hand“ und das „Reden über Erfahrung“, Natur-, Lebens-, Gewalt-, Lern- und Verlusterfahrung bis hin zu Tanz-, Umbruchs- und Reiseerfahrung – die Liste der Komposita und Zusammensetzungen, die Vertreter_innen der Kulturanthropologie/Europäischen Ethnologie/Empirischen Kulturwissenschaft (gemeint sind hier alle Nachfolgefächer der Volkskunde) bilden können, ist eine lange. Das erstaunt nicht sonderlich, da sich die KA/EE/EKW immerhin als Alltags- und Erfahrungswissenschaft begreift. Das Erfahrungskonzept gehört zum Standardrepertoire der Disziplin (Chakkalakal 2014), dennoch kommt ihm vergleichsweise geringe Aufmerksamkeit zu: Die theoretische Beschäftigung mit dem Begriff fand bislang „by the way“ – d.h. bruchstückhaft, punktuell, implizit – statt. Erträge bisheriger Auseinandersetzungen liegen eher fragmentarisch verstreut denn in gebündelter Form vor. Synthesen, die über spezifische Forschungs- und Datenerhebungskontexte hinausgehende Ergebnisse zusammenführen und den fachlichen Sonderzuschnitt des Erfahrungskonzepts reflektieren, fehlen.

Die Einladung zur Beteiligung am Workshop richtet sich an Fachvertreter_innen der KA/EE/EKW sowie transdisziplinär Interessierte, die sich theoretisch, method(olog)isch-empirisch und/oder fachgeschichtlich mit dem Erfahrungsbegriff auseinandersetzen (wollen), und dazu in einen längerfristig angelegten Austausch treten möchten: Der geplante Workshop wird „Kick-off“-Charakter haben und bei entsprechendem Interesse/entsprechender Beteiligung auf die Installierung eines wissenschaftlichen Netzwerks hinauslaufen. Ziel ist es, eine umfassende theoretische Annäherung an unterschiedliche Dimensionen des Erfahrungsbegriffs sowie eine engmaschige Standortbestimmung aus Fachperspektive vorzunehmen. Die Ergebnisse werden in einem Sammelband zusammengeführt.

Das Projekt regt zum produktiven „Re-Reading“ der mit dem Erfahrungsbegriff korrespondierenden Fach- und Spezialdiskurse und zur Auseinandersetzung mit der Frage an, wie „Erfahrung“ – schließlich selbst als Voraussetzung des Verstehens gehandelt – in Anschluss an diese Diskurse verstanden wurde/wird. Es geht um die Prüfung von Trag- und Anschlussfähigkeit des Vorliegenden; um Aktualisierung und Kontextualisierung; letztlich um das gemeinsame Ausloten von Möglichkeiten, wie sich diesbezüglich gewonnene Erkenntnisse gewinnbringend zusammenführen, bündeln und „ordnen“ lassen. Als Impulse bieten wir daher die folgenden, nur kurz angedeuteten Fragehorizonte an. Erweiterungen in unterschiedliche Richtungen sind möglich bzw. ausdrücklich erwünscht:

  • Wie lassen sich Dimensionen des von der KA/EE/EWK genutzten Erfahrungskonzepts und sich ihm inhärente Ebenen abheben? (Analytische und begriffliche Ausdifferenzierung)
  • (Wie) wird/wurde das theoretische Konzept der Erfahrung vom Alltagsbegriff der Erfahrung abgegrenzt? (Bestandsaufnahme, Reflexion)
  • Welche Ansätze welcher Autor_innen, Disziplinen und Schulen erfahren/erfuhren seitens der KA/EE/EKW stärkere Berücksichtigung als andere? (Konjunkturen, Auslassungen, Motivationen)
  • Inwiefern korrespondieren fachgeschichtliche Ereignisse und Einbrüche, aber auch „Turns und Tunes“ mit der Auswahl transdisziplinärer Anleihen? (Fachgeschichtliche Einordnung)
  • Welche Theorieofferten, etwa poststrukturalistische Ansätze, Cultural und Gender Studies, phänomenologische Ethnographie, geben welche Antworten auf das Verhältnis von Erfahrung, Diskurs und Subjektkonstitution? Wie wurden/werden diese in der KA/EE/EKW aufgegriffen und nutzbar gemacht? Wie gehen wir mit Widersprüchlichkeiten um? (Operationalisierungsstrategien, Eklektizismen)
  • Auf welches theoretische, methodologische, methodische Rüstzeug greifen/griffen Fachvertreter_innen zurück, um sich lebensweltlichen Erfahrungen zu nähern, sie beschreib- und „übersetzbar“ zu machen? (Verhältnisbestimmungen zwischen Erfahrung und Sprache bzw. „gelebter“ und „vermittelter“ Erfahrung)
  • Wie wird/wurde die Frage nach dem Einholen historischer Erfahrung bzw. die Rekonstruktion der Erfahrung historischer Zeitgenoss_innen (Lipp 2013) verhandelt? Inwieweit stehen profilbildende Spezifizierungen hier in Zusammenhang mit der Abgrenzung von der Erfahrungsgeschichte im Sinne der Oral History? (Persönliche Erfahrungen als Gegenstand empirischer Untersuchungen mit historischer Dimension, vgl. Lehmann 1983)
  • Welche Positionen waren/sind hinsichtlich des Umstandes auszumachen, dass Erfahrung empirisch nie vollkommen zugänglich gemacht werden kann? (Formen dialektischer Überbrückung)
  • Inwiefern lässt sich der Erfahrungsbegriff als an der Nahtstelle zwischen empirischen und hermeneutischen Verfahrensweisen liegend identifizieren? (Erfahrung im Spiegel geistes- und sozialwissenschaftlicher Erkenntnislogiken)
  • Inwieweit denkt die KA/EE/EKW das Konzept der Erfahrung auch in Rückvermittlungskontexten mit? (Ermöglichung von Erfahrung, Reflexion des strategischen Charakters)
  • Inwieweit könnte die Auseinandersetzung mit dem „Komplex Erfahrung“ letztlich auch zur Schärfung des KA/EE/EKW-Empiriebegriffs beitragen? (Abgrenzung von Nachbardisziplinen, Kanonisierung des fachlichen Sonderzuschnitts, Potenziale, Widersprüchlichkeiten)

Ergiebig sein könnten des Weiteren begriffliche Verhältnisbestimmungen wie etwa: Erfahrung und Ethnographie; Erfahrung und emische Perspektive(n); Erfahrung und Subjekt(analyse); Erfahren und Verstehen; Erfahrung und Erkenntnis(gewinn); Erfahrung und Wahrnehmung; Erfahrung und Erlebnis; Erfahrung und Wissen; Erfahrung und Raum, Erfahrung und Zeitlichkeit; Erfahrung und Körperlichkeit; Erfahrung und Sprache; Erfahrung und Kultur usf.

Vorschläge für die Bearbeitung eines Themenbereichs samt knappen CV-Angaben sollen den Umfang von 4.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) nicht überschreiten. Erwünscht ist, dass die Abstracts neben einer kurzen inhaltlichen Zusammenfassung auch Angaben über die Fragestellung und über den Kontext enthalten, in dem die theoretischen, methodologischen, empirischen und/oder fachgeschichtlichen Auseinandersetzungen erfolgen. Angaben zu bereits vorliegenden Veröffentlichungen, dem Stand der eigenen Forschung bzw. ersten Ergebnissen nehmen wir gerne zusätzlich entgegen. Einsendeschluss für die Abstracts ist der 31. März 2020. Die Rückmeldung zur Teilnahme am Workshop erfolgt bis Anfang Juni 2020.

Bitte senden Sie Ihren Beitragsvorschlag an:

Martina Röthl (roethl@volkskunde.uni-kiel.de) oder Barbara Sieferle (barbara.sieferle@kaee.uni-freiburg.de)

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