„Die Kirche im Dorf lassen …“? Zur Bedeutung von Religiosität und Spiritualität im ländlichen Raum

5. Arbeitstagung der Kommission für „Religiosität und Spiritualität“ in der dgv vom 11. bis 13. Juni 2021 im LVR-Freilichtmuseum Kommern.

Zusammenfassung

  • Was Call For Papers„Die Kirche im Dorf lassen …“? Zur Bedeutung von Religiosität und Spiritualität im ländlichen Raum
  • Wann to (Europe/Berlin / UTC200)
  • Wo Mechernich/Eifel Deutschland
  • benötigte Unterlagen Abstract (Umfang ca. 2.000 Zeichen) und Kurzvita
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Beschreibung

„Nur in der Stadt kannst du rein religiös sein“, behauptete der Ethnologe Werner Schiffauer 2011 in einem Gespräch mit dem katholischen Priester Leo Penta (Schiffauer 2011). Schiffauer äußerte damit die Vermutung, dass nur die Stadt genügend sozialen und kulturellen Freiraum zur Gestaltung ganz eigener Vorstellungen des Religiösen wie Spirituellen biete, die lediglich dort mit Gleichgesinnten umgesetzt werden könnten. „Auf dem Dorf“ sei Religion dagegen immer stärker in soziale Lebenszusammenhänge eingebettet und tendenziell gesellschaftlichen Repressionen unterworfen. Dieser Stoßrichtung einer behaupteten größeren Vielfalt des Religiösen und Spirituellen im urbanen Raum folgten seither thematisch einschlägige Tagungen und Publikationen (z. B. Zarnow/Klostermeier/Sachau 2018). Religiöse und spirituelle Transformationsprozesse im ländlichen, nicht selten als peripher wahrgenommenen Raum gerieten dagegen in den letzten Jahren etwas aus dem Fokus der kulturanthropologischen Forschung.

Die Mehrfachnutzung und Umwidmung sakraler Bauten, unerwartete interreligiöse Zusammenarbeiten und Allianzen, die bewusste Ansiedlung religiöser Gemeinschaften, die historische Bedeutung des „Landjudentums“, die Anwendung alternativ-spiritueller Kulturtechniken, die Präsenz neureligiöser und neuheidnischer Bewegungen sowie hybrider Formen des Religiösen und die generelle Bedeutung religiöser Institutionen als zivilgesellschaftliche Akteure zeigen, inwiefern der ländliche Raum mitnichten lediglich ein Hort von Bewahrung und Beharrung ist. Vielmehr finden wir auch hier Möglichkeitsräume religiös-spiritueller Hoffnungen und Fragen vor, Orte religiöser Auf- und Umbrüche sowie der Diversität. Die Suche nach und das Entdecken von Entschleunigung, innerer Zufriedenheit und neuer Kreativität stellen zwar einerseits Topoi dar, die gerade im ländlichen Kontext befördert werden. Allerdings motivieren und provozieren sie andererseits vielfältige religiöse und spirituelle Sinnentwürfe, Lebensstile und Topographien, die einer dichten Beschreibung und differenzierten Kulturanalyse bedürfen. Um einer Reproduktion romantischer Stereotype vorzubeugen, darf dabei natürlich nicht übersehen werden, dass die ländlich geprägten Regionen Europas trotz etwaiger politischer Förderlinien mitunter schwer mit den Folgen des demografischen Wandels und infrastrukturellen Defiziten zu kämpfen haben – was sich u.a. im Zustand der religiösen Institutionen widerspiegelt. Diesen Aspekten soll auf der fünften Tagung der Kommission für Religiosität und Spiritualität in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde in historischer wie gegenwartsorientierter Perspektive nachgegangen werden.

Folgende Forschungsfragen für diese Auseinandersetzung mit Religiosität und Spiritualität im ländlichen Raum können leitend sein:

  1. Wie zeigt sich die religiös-spirituelle Diversität im ländlichen Raum? Insbesondere sei hier an Entwicklungen etwa im Zuge von Prozessen der (Binnen-)Migration gedacht, die eben nicht nur im urbanen, sondern auch im ländlichen Raum stattfinden. Welche Konsequenzen haben diese Prozesse für dort bereits etablierte und neu hinzukommende religiöse Gemeinschaften und deren Mit-, Neben- und auch Gegeneinander? Welche interreligiösen Kontakte und Konflikte, Praktiken der religiös-spirituellen Beheimatung und Auswirkungen auf das Erscheinungsbild von Gemeinden gibt es?
  2. Welche Rolle spielen religiös-spirituelle Einrichtungen und Bewegungen, aber auch individuelle AkteurInnen bei der Wahrnehmung zivilgesellschaftlicher Aufgaben bzw. bei der Organisation, Motivation und Umsetzung bürgerschaftlichen Engagements im sozialen, politischen und kulturellen Bereich?
  3. Welche materiellen Spuren (Architektur, Um- und Neunutzungen, museal-sakrale Dokumentation etc.) hinterlassen religiös-spirituelle Transformations- und Differenzierungsprozesse?
  4. Wo beginnt das Ländliche überhaupt und welche Auswirkungen und Bedeutungen haben diese meist unscharfen Definitionsversuche sowie terminologischen und semantischen Unsicherheiten auf die religiös-spirituelle Vielfalt? Verstärken sie die Grenzen zwischen religiösen Gemeinschaften oder eröffnen sie ganz neue Gestaltungsspielräume? Und wie werden diese lokal genutzt und ausgehandelt?
  5. Welche spezifischen Qualitäten, Wertzuschreibungen, Atmosphären und Imaginationen gehen mit der Verbindung Religiosität/Spiritualität und Ländlichkeit einher (z. B. medial, politisch, sozial)? Welche Bilder und Narrative stehen hierfür zur Verfügung bzw. werden tradiert oder bewusst konterkariert? Welche kulturellen Wertehaltungen und Bedürfnislagen spiegeln sich darin und auf welche historischen Tradierungen in Bildern und Narrativen wird wie und aus welchen Gründen zurückgegriffen?

Ziel ist der interdisziplinäre Austausch zwischen etablierten WissenschaftlerInnen und NachwuchswissenschaftlerInnen, aber auch PraktikerInnen etwa im religiös-spirituellen und musealen Bereich.

Wir bitten um Zusendung eines Abstracts (Umfang ca. 2.000 Zeichen) und einer Kurzvita bis zum 27.01.2020 an: Dr. Christine Bischoff (bischoff@volkskunde.uni-kiel.de) und Jun.-Prof. Dr. Mirko Uhlig (uhlig@uni-mainz.de). Geplant ist die Publikation von ausgewählten Vorträgen. Wir bemühen uns zudem um eine Erstattung oder zumindest Bezuschussung von Reise- und Unterbringungskosten der Referierenden.

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Dr. Christine Bischoff und Jun.-Prof. Dr. Mirko Uhlig